Aziz und seine persönliche Revolution – 3. Teil


Mein allererster Besuch in Teheran und im aufgebrachten Iran – es ging tief ins Herz hinein und weckte eine Sehnsucht. Bis heute ist sie geblieben.

Nur ein erster Tag im Moloch namens Teheran  ein Jahr nach der Revolution – das Tohuwabohu im Flughafen überstanden, draußen das noch zu Schahs Zeiten errichtete Denkmal – Soldaten, Bürgerwehren, Muhjaheddin – Freund Aziz mittten drin, er leitet und motiviert eine solche Sammlung Mutiger, sämtlich mit dem feurig-fanatischen Blick. Der macht mir Angst. Ich habe diesen Blick in der Ostzone anerzogen bekommen – wir machen den neuen sozialistischen Menschen. Mann, Mann, Mann, was sind wir verarscht worden!

Aziz war noch zu jung, zu erkennen, dass die eine Diktatur lediglich durch eine andere längst ersetzt war. Gesetze waren im Dreck verschwunden, die Scharia war nun das Gesetz. Schon am ersten Tag sah ich Männer mit verbundenem Armstumpf. Aziz sekundiert: das ist eben so bei uns jetzt. Aber wir hacken die Hände nicht mehr ab, sie werden ordnungsgemäß in einen Krankenhaus amputiert…. Tröstlich.

Alle lateinischen Inschriften sind schwarz übergeschmiert. Komm Pättärr, wir fahren mit meinen Freunden ans Kaspische Meer. Frische Luft, hinter zerrissehen schmierigen Zeltplanen, unseren lüsternen Blicken verborgen, darf die Weiblichkeit baden, komplett bekleidet natürlich.

Unsere Bleibe für Aziz, Fariborz, Mohsen und mich, für einige Tage das Hotel Hyat Regency. In einem Jahr herunter gewirtschaftete Pracht, das Getränkeangebot reichhaltig – black wine and white wine: eine bräunlichscheußliche Brühe, wir nennen sie Khomeini Cola und – klares Wasser. Revolutionär.

Aziz erkundet strahlend für uns, dass abends ein Film gezeigt wird. Im vollen Ballsaal außer Diensten läuft ein unsynchronisierter Film amerikanischer Produktion, ein grässlicher Schinken mit Leichen, die an Fleischerhaken transportiert werden. Dazwischen rührende Knutsch- und Kussszenen. Nur sah die niemand; ein schwarzbärtiger Turban kam seiner Aufgabe als Wahrer der Sittlichkeit nach, seine Hand mit den ungepflegten Fingernägeln schob sich immer zeitig genug vor die Linse.

Das Schweigen. Nur ein Widerling benahm sich abartig. Meine Schienbeine waren alsbald blau von den Tritten meiner lieben Freunde. Alsbald gab es kein Halten  mehr, ich musste so ungebremst losprusten und laut herauslachen. Der Rest des filmischen Kunstwerkes entging mir, denn die Drei eskortierten mich hinaus, einer hielt mir den Mund zu.

Mit einem schwarzen Plastikbeutel und seinem hochprozentigen Inhalt beschlossen wir diesen gar fröhlichen Abend und ging zu Bett, nicht ohne dass Aziz mich ermahnte, doch kräftig zu gurgeln und das von uns benutzte Trinkglas auch gründlich zu spülen. Das war die Rettung für mich. Am anderen Morgen so zwischen fünd und sechs Uhr bollert es an der Tür. Die Zeit, zu der zu Zeiten der braunen Pest die Juden „abgeholt“ wurden und in der Zone die Gummimäntel der Stasi sich Zutritt verschafften.

Drei Schwarzdrosseln drangen grußlos ein, schauten in mein Bettchen, auch unter die Matratze, gingen auf den Balkon, sicher nicht, um die Morgenluft zu genießen. Ein schwarzer Hintern hob sich gen Himmel, als der Rest den Fußboden unter einem Bett inspizierte. Zwei erforschten das Innere des Kleiderschranks und den sanitären Bereich. Eine Schnüffelnase nahm Witterung in meinem Zahnputzglas auf. Einige Minuten später endete der  Spuk. Aziz lakonisch: hätten sie außer dir noch jemanden in deinem Bett angetroffen, hätten sie unser leckeres Abendgetränk gerochen, fünfzig Stockhiebe auf die Fußsohlen – Scharia eben. Aua!

Kein Appetit mehr auf Frühstück, keine Möge mehr in diesem nachrevolutionären Hause. Ein schönes Mädchen, so bei vier bis sechs Jahren im Gewühl des Hotels, versuche einen kleinen Flirt – sie reagiert nicht. Wäre sie so ein reichliches Jahrzehnt älter, sie würde auf mich fliegen.  „Eingebildet sind Sie wohl gar nicht?“ In akzentfreiem Deutsch – der Vater der Kleinen. Eine lange Brieffreundschaft zwischen Doktor Hariri und mir – er war Arzt in Deutschland….
…es geht weiter……

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